THERAPLAY

Kurzzeittherapie zur Beziehungsanbahnung mit therapieresistenten Kindern

 

Herbert H. G. Wettig1, Ulrike Franke2 und Helga Brand3

1 Diplompsychologe, Klinischer Psychologe, Institutsleiter Theraplay Institut, Leonberg,

2 Logopädin, Lehrlogopädin, zertifizierte Theraplay Therapeutin und Trainerin, reg. Spieltherapeutin –
  Supervisorin (Association for Play Therapy), Praxis für Logopädie, Oftersheim bei Heidelberg

3 Diplompsychologin, Psychologische Psychotherapeutin, zertifizierte Theraplay Therapeutin,
  Praxis für Psychologische Psychotherapie, Wiesloch,
  Mikina Kureinrichtung, Bad Schönborn-Langenbrücken

 

Zusammenfassung

Theraplay

Theraplay ist eine direktive, interaktive Kurzzeit-Spieltherapie – Die Entstehungsgeschichte – Das Modell - Therapeutisches Ziel – Indikationen für Theraplay – Integration der Eltern.

Theoretischer Hintergrund

Neurobiologie – Bindung – Berühren – Empathisches Aufeinanderabstimmen – Spielen – Lernen.

Zwei Forschungsprojekte zur Evaluation der Wirkung von Theraplay

Methodik – Interne und externe Validität – Informiertes Einverständnis zur Teilnahme an dem Forschungsprojekt – Forschungsfragen – Stichprobengröße – Stichprobenstruktur – Erhebungszeitpunkte – Erhebungsinstrumente – Therapie Setting – Therapieprozedur

Ergebnisse der Evaluation der Wirkung von Theraplay

Art und Häufigkeit der therapieresistenten Symptome – Ausprägungsgrad der Symptome vor Beginn der Behandlung mit Theraplay – Reduzierung der Symptomausprägungen der Verhaltensstörungen nach Theraplay – Reduzierung der Symptome der unkooperativen, oppositionell-verweigernden oder aggressiven Klein- und Vorschulkinder – Reduzierung der Symptome der scheuen oder sozial ängstlichen Klein- und Vorschulkindern – Verbesserung der Aufmerksamkeit bei unaufmerksamen, hyperaktiven Klein- und Vorschulkindern – Verbesserung der sozialen Gegenseitigkeit bei Klein- und Vorschulkindern mit autistoidem Mangel an sozialer Gegenseitigkeit – Anbahnung des Sprachverständnisses bei rezeptiv sprachgestörten Kindern – Durchschnittliche Therapiedauer und Effizienz von Theraplay.

Qualitätskriterien der Therapieform Theraplay

Objektivität (Unabhängigkeit von der Therapeutin und der therapeutischen Institution) – Validität (Gültigkeit der Wirkung im Sinne des therapeutischen Ziels) – Reliabilität (Zuverlässigkeit der Wirkung unter unterschiedlichen Bedingungen) – Klinische Bedeutung der Veränderung der therapierten Symptome – Statistische Signifikanz der Veränderung der therapierten Symptome – Effektgröße der Symptomveränderung.

Diskussion der Ergebnisse der Evaluationsforschung zur Wirkung von Theraplay


Zusammenfassung

Unverzichtbare Voraussetzungen für eine effektive Therapie sind die Bereitschaft und Fähigkeit eines verhaltensauffälligen Kindes, sich auf die interpersonale Kommunikation und Interaktion mit seiner Therapeutin bzw. seinem Therapeuten einzulassen. In der Praxis zeigen jedoch verhaltensauffällige Klein- und Vorschulkinder oft ein unkooperatives, oppositionell verweigerndes, aggressives oder – umgekehrt - scheues, sozial zurückgezogenes, jedenfalls unaufmerksames Verhalten. In solchen Fällen hat sich Theraplay bewährt. Durch Theraplay wird ein schwieriges zu behandelndes Kind zugänglicher. Danach kann die funktionale Störung effektiver und in vergleichsweise kürzerer Therapiedauer behandelt werden.

Theraplay ist eine interaktive Form einer von der Therapeutin geführten Kurzzeit-Spieltherapie. Sie orientiert sich an dem Modell einer gesunden Mutter-Kind Beziehung. Die typischen Elemente des Eltern-Kind Verhaltens wie Strukturierung, Herausforderung, Stimulation zum Engagement und Fürsorglichkeit sind auch die therapeutische Wirkfaktoren von Theraplay. Therapieziel ist es, das Interaktionsverhalten von verhaltensauffälligen, schwierig zu behandelnden Kindern nachhaltig zu verbessern und sie auf die funktional notwendige Therapie seiner Störung vorzubereiten.

Berichtet werden die Ergebnisse des Forschungsprojekts zur Evaluation der Wirkung von Theraplay. Durchgeführt wurden zwei voneinander unabhängige empirische Studien.

Erstens wurde von 1998 bis Anfang 2005 eine kontrollierte Längsschnittstudie (LSS) durchgeführt. Die zufällig angefallene Patientenstichprobe umfasste N=60 multimorbid gestörte Klein- und Vorschulkinder, die nach Zufall zwei Therapiegruppen zugewiesen wurden. Diese wurden mit Kontrollgruppen verglichen, u.a. N=30 klinisch unauffällige Kinder gleichen Alters und Geschlechts (matched sample). Eine Folgestudie zwei Jahre nach Abschluss der Behandlung mit Theraplay bestätigt die Nachhaltigkeit des Therapieerfolgs. Es gab keine Rückfälle.

Zweitens eine Multi-Center Studie (MCS) in 9 unterschiedlichen therapeutischen Institutionen in Deutschland und Österreich mit einer Zufallstichprobe von N=319 klinisch auffälligen Kindern, deren Behandlung mit Theraplay durch 14 verschiedene Therapeut/innen im Zeitraum von 2000 bis 2004 abgeschlossen wurde. Die behandelten Kinder hatten anfangs - mit Überschneidungen –u. a. folgende Symptome: N=199 waren unkooperativ, N=161 erschwerten die Therapie durch oppositionell verweigerndes Verhalten. N=69 waren aggressiv. N=149 waren scheu, schüchtern, sozial zurückgezogen und deshalb für Therapeuten schwer zugänglich. N=56 hatten einen Mangel an sozialer Gegenseitigkeit, wie er z. B. für Kinder mit frühkindlichem Autismus typisch ist.

Besonders bedeutsam ist, dass ein großer Teil dieser Kinder, N=193 der 319 Kinder der MCS und N= 51 der 60 Kinder der LSS anfangs unter rezeptiven Sprachstörungen litten.

Die Analyse statistischer Qualitätskriterien zeigt, dass die relevanten Symptome durch eine kurzzeitige Behandlung mit Theraplay klinisch bedeutsam und statistisch signifikant (in fast allen Fällen mit prob<.0001) verringert werden konnten. Beide Studien bestätigen die Effektgröße dieser Therapieform und eine objektive Unabhängigkeit von der therapeutischen Institution und der Person der Therapeutin.

Theraplay hat sich in beiden Studien mit – je nach Art und Schwere der Störung - durchschnittlich 18-26 therapeutischen 30-Minuten Sitzungen bis zum Erreichen des Therapieziels als wirtschaftlich effiziente Kurzzeittherapie erwiesen.

 

 

Theraplay

Viele Therapeutinnen und Therapeuten denken bei dem Begriff Spieltherapie vermutlich spontan an eine non-direktive Spieltherapie wie sie vor allem von Axline (1947) und Moustakas (1953, 1973) beschrieben wurde, oder an das Rollenspiel mit Puppen (Oaklander, 1978), an den Sandkasten als Spielmedium (Lowenfeld, 1969) oder an eine personenzentrierten Spieltherapie (Landreth, 2002; Goetze, 2002). Diese Art des Spielens hat die Funktion, das therapeutische Gespräch zu ersetzen. Denn kleine Kinder können ihre Probleme oder ihre traumatischen Erlebnisse noch nicht verbal ausdrücken, oder sie verweigern das Sprechen. Theraplay unterscheidet sich von diesen Formen der Spieltherapie.

Theraplay ist eine direktive, interaktive Kurzzeit-Spieltherapie: Eine direktive Spieltherapie, weil die Therapeutin das Spiel führt. Bei ihr liegt die Verantwortung für den Verlauf des therapeutischen Spielens. Theraplay ist eine interaktive Spieltherapie ohne Sandkasten oder Spielsachen. Die Therapeutin interagiert im Spiel mit dem Kind, bietet Rituale, setzt Überraschungselemente ein, sucht den Blickkontakt, kommuniziert im rechtshemisphärischen (emotionalen) Modus auch nonverbal, gestisch und mimisch. Sie benutzt das Spielen, um eine Verbindung zwischen dem Kind und ihr zu schaffen und aufrecht zu erhalten. Sie reagiert warm und einfühlsam auf die Bedürfnisse des Kindes. Sie teilt positive Affekte mit dem Kind, fördert die Beziehung, ist lebendig und fürsorglich, berührt das Kind im Spiel, so wie Eltern es tun. (Jernberg & Booth, 1999). Ihre Aktivitäten entsprechen dem Entwicklungsalter und den Affekten des Kindes. Sie moduliert die Erregung des Kindes durch beruhigende, Spaß machende oder herausfordernde Spiele. Struktur, Ausdauer, Engagement und Fürsorglichkeit kennzeichnen die Interaktion. Ausgehend von der Anzahl der bis zum Erreichen des Therapieziels notwendigen Sitzungen ist Theraplay eine Kurzzeit-Spieltherapie.

Die Entstehungsgeschichte: Ann M. Jernberg, Ph.D., eine in Heidelberg geborene, mit ihren Eltern 1933 in die USA emigrierte klinische Psychologin, hat Mitte der 1960er Jahre von der amerikanischen Regierung den Auftrag bekommen, im Rahmen des Head Start Project eine Therapieform zur Behandlung von vornehmlich in Slums wohnenden expansiv verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen zu entwickeln. Diese Therapie sollte von Therapeuten unterschiedlichster Profession einfach zu erlernen und zuverlässig anzuwenden sein, denn die Zahl der verfügbaren Psychologen, Psychotherapeuten, Psychiater und der Sozial-Pädagogischen Beratungsstellen war und ist immer noch zu gering, um der großen Zahl von Kindern, die therapeutischen oder sonderpädagogischen Bedarf haben, gerecht zu werden.

Das Modell: Jernberg (1979, dt. 1987) hat sich nach der Analyse von mehr als 400 beobachteten Mutter-Kind Dyaden (Munns, 2003) bei der Entwicklung von Theraplay an dem Modell einer „gesunden Mutter-Kind-Beziehung“ (a healthy mother-infant relationship) und an der von Winnicott (1958) geprägte Vorstellung von einer „good enough mother“ orientiert. Vorbild sind die natürlichen Verhaltensmuster einer gesunden Eltern-Kind Interaktion. Theraplay fokussiert in der Interaktion auf vier wesentliche Verhaltensdimensionen, die in Jernbergs Beobachtungen der Eltern-Kind Beziehungen gefunden wurden: Struktur, Herausforderung, Stimulation des Engagements und Fürsorge.

Therapeutisches Ziel: Therapieziel ist es, das Interaktionsverhalten von verhaltensauffälligen, schwierig zu behandelnden Kindern nachhaltig zu verbessern und sie auf die funktional notwendige Therapie ihrer Störung vorzubereiten. Durch Theraplay entsteht eine aktive und empathische Verbindung zwischen Kind und Bezugsperson. Das Kind verändert seine Perspektive. Es lernt, sich als ein achtenswertes und liebenswertes Wesen und die Beziehung als positiv und lohnenswert zu sehen. Theraplay kann Kindern helfen, ihre Selbstachtung zu heben, ihr Vertrauen in sich und andere zu steigern, Affekte zu regulieren, die Bindung zwischen sich und ihrer Bezugsperson zu verbessern und sich auf die Interaktion mit anderen, z.B. mit der Therapeutin einzulassen.

Indikationen für Theraplay: Theraplay hat sich besonders bei Kindern mit Anpassungsstörungen, Bindungsstörungen (beispielsweise bei Adoptiv- und Pflegekindern), Aufmerksamkeitsstörung, Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom und anderen Störungen des Sozialverhaltens, bei sozialen Angststörungen und bei autistoidem Mangel an sozialer Gegenseitigkeit als wirksam erwiesen. Theraplay hat aber auch Bedeutung als kompensatorische Therapie, um therapieresistente Kinder für eine funktionale Therapie zugänglicher zu machen, z.B. unkooperative, oppositionelle verweigernde, aggressive, oder auch scheue, sozial ängstliche, selektiv mutistische und autistische Kinder mit mangelnder sozialer Gegenseitigkeit.

Integration der Eltern: Die Eltern werden aktiv in die Behandlung einbezogen. Sie werden ermuntert, die in den Therapiesitzungen beobachteten interaktiven Spiele zu Hause fortzuführen.

 

Theoretischer Hintergrund

Die bedeutsamste Erklärung dafür, warum Theraplay wirkt, liefert einerseits die ethologische Forschung von Harlow & Harlow (1966) zur Rolle der Mutter und deren Auswirkung auf die Entwicklung junger Rhesusaffen (auch wenn diese Erkenntnisse nicht uneingeschränkt auf Menschen übertragen werden können), andererseits die in den letzten Jahren gefundenen Erkenntnisse der Neurobiologie.

Neurobiologie: Die aktuelle neurobiologische Forschung hat das Wissen über den Einfluss von positiven emotionalen Ereignissen in der Kleinkindzeit, von enger Bindung zwischen Kind und Bezugsperson, von Spielen und Berühren auf die gesunde Entwicklung eines Kindes deutlich erweitert. Aus diesen Forschungsergebnissen ableitbare Hypothesen können erklären, warum Theraplay wirkt. Durch bildgebende Verfahren wie Positronen-Emissions-Tomographie (PET) und funktionale Magnet-Resonanz-Tomographie (fMRT) lässt sich heute ansatzweise erklären, wo im Gehirn eines Kindes Informationen verarbeitet werden, wenn es positive oder negative emotionale Erfahrungen macht, wenn es Traumata reaktiviert, wenn es Neues lernt und wenn es lernt, seine Affekte zu regulieren (Schore, 1994, 2003). Das lässt die Annahme zu, dass Theraplay das neuronale Netzwerk im Gehirn eines Kindes verändert. Die Plastizität des Gehirns und dessen sozio-emotionale Prägung spielen in der frühkindlichen Entwicklung eine entscheidende Rolle. Schore (a.a.O.) beschreibt, dass die Fähigkeit eines Kindes zur Affektregulation ihren Ursprung in der Interaktion mit einer empfindsam reagierenden, regulierenden Bezugsperson hat. Bei Fehlen einer solchen Fürsorge können Dysregulationen der Affekte und in deren Folge Störungen des kindlichen Selbst auftreten, die letztlich zu Störungen im Sozialverhalten führen. Siegel (1999) hat in The Developing Mind die Bedeutung der interpersonalen Beziehung für die Entwicklung und Formung des Fühlens, Erlebens, Denkens, Agierens und Reagierens eines heranwachsenden Kleinkindes erklärt. Wie Schore (2003) in seiner Theorie zur hierarchischen Veränderung neuronaler Netzwerke beschrieben hat, kann dysregulierte Prägung der kindlichen Affekte durch therapeutische Intervention auch wieder positiv verändert werden. Siegel und Hartzell (2003) haben das für Eltern praxisnah und verständlich beschrieben. Positive emotionale Interaktionen zwischen Mutter und Kind können im Hippocampus neue Neuronen entstehen lassen und im präfrontalen und orbitofrontalen Kortex der rechten (emotionalen) Gehirnhemisphäre Lernerfahrungen zu neuen Verhaltensmustern verarbeiten, die sich in der linken (logischen) Gehirnhemisphäre auch kognitiv und sprachlich manifestieren.

Bindung: Die Bindungstheorie (vgl. Bowlby, 1988, 1995; Brisch, 2003; Stern, 1974, 1986, 1995) erklärt, wie ein Kind Anhänglichkeit an seine Bezugsperson entwickelt, wenn diese ihrerseits Bindungsangebote macht. So entsteht eine Wechselbeziehung zwischen Bezugsperson und Kind. Viele Autoren haben beschrieben, welchen Einfluss frühe Bindungsbeziehungen auf das spätere Leben haben (vgl. Goldberg, 2000; Hughes, 1998; Rutter, 1994; Waters, Weinfield & Hamilton, 2000; Ziegenhain & Jacobsen, 1999). Kinder mit sicherer oder unsicherer Bindung gibt es in allen Kulturen (van Ijzendoorn & Sagi, 1999).

Berühren: Das therapeutisch intendierte Berühren des Kindes ist ein weiteres Charakteristikum von Theraplay. Jernberg hat Hunderte von Eltern-Kind-Beziehungen hinsichtlich der Verhaltensmuster beobachtet und analysiert (Munns, a.a.O.). Nach ihren Beobachtungen hat das Berühren in normalen, gesunden Interaktionen zwischen Eltern und Kind eine fundamentale Bedeutung. Brody (1978) hat im Developmental Play beziehungsfördernde Berührung der Kinder praktiziert. Die positive Wirkung von liebevoller, fürsorglicher oder beruhigender Berührung wird durch eine Vielzahl von Forschungsergebnissen (siehe Montagu, 1988), insbesondere durch Fields extensive Studien zu Touch (2001) nachgewiesen.

Empathisches Aufeinanderabstimmen: Theraplay bietet dem Kind Spielen, Sprache und Interaktion auf seinem jeweiligen sozialen und emotionalen Entwicklungsniveau an, damit es von da aus sein Verhalten zu einem mental gesunderen macht („to make it a healthier one“, Munns, 2003). Theraplay repliziert die typischen Verhaltensweisen einer Mutter in der frühen Entwicklung ihres Kindes. Im Kind werden frühe Gefühle und Bindungserlebnisse reaktiviert und in einer fürsorglichen Atmosphäre positiv verändert.

Spielen: Frühkindliches Spielen zwischen Kind und Bezugsperson gilt als wichtiges Element einer gesunden Entwicklung und formt gewissermaßen die Schablone für spätere zwischenmenschliche Beziehungen. Das interaktive Spielen macht dem Kind Spaß und erleichtert ihm, sich auf eine empathiebegründete Beziehung mit der Therapeutin einzulassen.

Lernen: Man weiß seit kurzem, dass das Lernen mit positiver emotionaler Unterstützung, z.B. mit Spaß und im Spiel, effektiver ist als intensives Lernen und ausgedehntes Üben ohne positive Emotionen (Spitzer, 2002). Das erklärt, weshalb Theraplay das interaktive Verhalten von Kindern so nachhaltig positiv verändern kann. Mit der Entwicklung des Kindes verändern sich auch die Spielangebote zu mehr altersadäquaten Aktivitäten.

 

Forschungsprojekt zur Evaluation der Wirkung von Theraplay

Die Wirkung von Theraplay wurde am Beispiel von Klein- und Vorschulkindern mit u. a. unkooperativem, oppositionell verweigerndem, aggressivem, andereseits scheuem, sozial ängstlichem Interaktionsverhalten und bei solchen mit Aufmerksamkeitsstörungen, mit autistoidem Mangel an sozialer Gegenseitigkeit und mit rezeptiven Sprachstörungen durch zwei Forschungsprojekte evaluiert.

Methodik: Beide Forschungsprojekte sind Feldstudien, d.h. sie wurden in der realen Diagnose- und Therapiesituation durchgeführt, nicht in Laborexperimenten. Nach Pilotstudien im Jahr 1997 wurde 1998 mit einer kontrollierten Längsschnittstudie (LSS) begonnen. Stichprobe war eine anfallende, randomisierte Patientenkohorte von Klein- und Vorschulkindern mit einer dualen Diagnose. Ursprünglich waren sie dem Arzt wegen Sprach- oder Sprechstörungen vorgestellt worden. In der Eingangsdiagnostik wurde jedoch festgestellt, das sie außerdem Verhaltensauffälligkeiten hatten, die eine logopädischen Behandlung ihrer Sprachprobleme stark behinderten. Sie wurden deshalb zunächst mit Theraplay behandelt, um die Symptome ihrer Verhaltensstörungen zu verringern und sie für die nachfolgende logopädischen Therapie aufmerksamer, kooperativer und zugänglicher zu machen.

Die Kinder der LSS Stichprobe wurden wiederholt zu verschiedenen Zeitpunkten diagnostiziert und ihre Eltern extensiv befragt. Eine nach Zufall ausgewählte Teilstichprobe wurde als Wartezeitkontrollgruppe (KGW) auch am Beginn einer 16-wöchigen Wartezeit diagnostiziert und deren Eltern befragt. Bei allen Kindern und deren Eltern wurden vor, während und nach der Behandlung mit Theraplay und in einer Folgestudie zwei Jahre nach Ende der Therapie Daten erhoben. Das Eltern-Kind Interaktionsverhalten wurde wiederholt mit der Heidelberger Marschak Interaktions-Methode (Ritterfeld & Franke, 1994) beobachtet, video-protokolliert und durch geschulte Kliniker systematisch analysiert. Zur Analyse der Behandlung der Kinder mit Theraplay wurden alle Therapiesitzungen ebenfalls vollständig auf Video protokolliert, nachträglich nach 42 operationalisierten Kriterien des beobachteten Interaktionsverhaltens analisiert und skaliert. Die Analyse erfolgte jeweils unabhängig durch zwei geschulte Kliniker, um die Inter-Rater Reliabilität zu gewährleisten. Die Eltern dieser Kinder wurden in den gleichen Zeitintervallen wiederholt eingehend befragt.

Interne und externe Validität: Die Ergebnisse der LSS haben wegen einer relativ großen Homogenität der Patientenpopulation und der gleich bleibenden Therapiesituation eine hohe interne, aber eine geringe externe Validität. Wegen der hohen internen Validität sind die Ergebnisse zwar klinisch sehr bedeutsam und statistisch hoch signifikant hinsichtlich der Wirkung von Theraplay, aber wegen der geringen externen Validität können die Ergebnisse nicht auf andere Patientenpopulationen verallgemeinert werden.

Im Jahre 2000 wurde deshalb in Deutschland und Österreich eine Multi-Center Studie (MCS) begonnen, einerseits zur Replizierung der Wirkung von Theraplay bei weiteren Patientenpopulationen, andererseits als Qualitätssicherung der mit Theraplay behandelten Kinder. Neun unterschiedliche therapeutische Institutionen mit entsprechend unterschiedlichen Patientenpotentialen nehmen fortlaufend daran teil: ein Behindertenzentrum, ein Frühförderzentrum, eine Klinikambulanz für Hals-, Nasen- und Ohren-Krankheiten, eine sonderpädagogischen Sprachheilschule, ein Kindergarten in einer sozial belasteten Gegend, eine Praxis für Psychologische Familientherapie und Praxen für Logopädie. Bis Ende 2004 haben 14 Theraplay Therapeutinnen zusammen N=319 Kinder mit Theraplay behandelt.

Informiertes Einverständnis zur Teilnahme an dem Forschungsprojekt: Alle Eltern hatten nach ausführlicher Information über Theraplay und das Forschungsprojekt der Teilnahme ihres Kindes an dieser Forschung schriftlich zugestimmt.

Forschungsfragen: Die Ergebnisse dieser beiden Studien (LSS und MCS) sollten eine Vielzahl wissenschaftlicher Fragen beantworten. Hier werden jedoch nur die Ergebnisse zur Wirkung von Theraplay auf die Symptome berichtet, die als typisch für therapieresistente Kinder angesehen werden können.

·        Welche Symptome hatten die Kinder vor Beginn der Behandlung mit Theraplay?

·        Wie ausgeprägt waren die Symptome dieser Kinder vor der Behandlung mit Theraplay
       im Vergleich mit klinisch unauffälligen Kindern gleichen Alters und Geschlechts?

·        Werden die störenden Symptome durch die Behandlung mit Theraplay reduziert?

·        Ist die Veränderung der Symptome klinisch und statistisch signifikant?

·        Ist das Ergebnis der Behandlung mit Theraplay zwei Jahre nach der Therapie nachhaltig?

·        Wie viele Therapiesitzungen waren bis zum Erreichen des Therapieziels notwendig?

Stichprobengröße: Die Anfangsstichprobe der MCS umfasste N=319 klinisch auffällige Kinder mit einer dualen Diagnose von Verhaltens- und Sprachstörungen. 22 der Kinder waren bei Therapiebeginn jünger oder älter als die Zielgruppe im Alter von 2;6 – 6;11 Jahre. In 6 Fällen waren die Daten zur Symptomatik nicht vollständig. Damit reduziert sich die Anzahl der Fälle von N=319 um N=28 auf eine Nettostichprobe von N=291 Kinder. Die Diagnosen wurden überwiegend von Klinikern gestellt. Nur in den niedergelassenen Praxen musste, wenn keine ärztliche Diagnose vorlag, die Therapeutin die Art und den Ausprägungsgrad der Symptome selbst einschätzen. Diese Therapeutinnen wurde vorher geschult, die Symptome einzuschätzen. Diese Einschätzungen weichen nicht signifikant von den Einschätzungen der Kliniker ab.

Die Anfangsstichprobe der LSS bestand aus 68 Kindern, die eine duale Diagnose von Sprach- oder Sprechstörungen und zugleich ernsten Verhaltensstörungen hatten. In acht Fällen wurde von den Eltern der Wartezeitkontrollgruppe (KGW) noch während der Wartezeit die vereinbarte Therapie abgesagt. Die verbleibende Nettostichprobe umfasst N=60 Klein- und Vorschulkinder im Alter unter 7 Jahre mit einem multiplen Störungsbild.

Stichprobenstruktur: Tabelle 1 zeigt die Größe und die Geschlechts- und Altersstruktur der Stichproben der MCS mit N=291, der LSS mit N=60 und einer in Alter und Geschlecht vergleichbaren Kontrollgruppe (KGN) mit N=30 normalen, d.h. klinisch unauffälligen Klein- und Vorschulkindern (matched sample). In allen drei Stichproben ist der durchschnittliche Anteil der Jungen und Mädchen annähernd gleich (rund 70% Jungen, rund 30% Mädchen, Relation ca. 2.3 : 1). In allen drei Stichproben sind die Kinder bei Beginn der Behandlung durchschnittlich 4 Jahre und fünf Monate, also durchschnittlich fast 4 ½ Jahre alt.

 

Tabelle 1

Stichprobengröße
Geschlecht und Lebensalter der mit Theraplay behandelten Klein- und Vorschulkinder

Multi-Center-Studie (MCS), Längsschnitt-Studie (LSS) und Kontrollgruppe der normalen Kinder (KGN)

 

MCS

Multi-Center-

Studie

Auffällige Kinder

mit Symptomen

LSS

Längsschnitt-

Studie

Auffällige Kinder

mit Symptomen

KGN

Kontrollgruppe

matched sample

Kinder ohne

klinische Symptome

Geschlecht

N

%

N

%

N

%

Total der Kinder

291

100.0

60

100.0

30

100.0

Jungen

199

  68.4

43

  71.7

21

  70.0

Mädchen

  92

  31.6

17

  28.3

  9

  30.0

Alter in Monaten

N

MMon

s

N

MMon

s

N

MMon

s

Durchschnittsalter aller Kinder

291

53.6

14.5

60

51.8

15.2

30

53.6

15.4

Alter der Jungen

199

53.3

14.6

43

52.5

14.4

21

54.5

15.9

Alter der Mädchen

  92

54.1

14.4

17

50.2

17.4

  9

51.6

14.8

Bemerkungen: N = Stichprobengröße/Anzahl der Kinder; M = Mittelwert; s = Standardabweichung

 

Erhebungszeitpunkte: Für die LSS werden die Ergebnisse zum psychopathologischen Befund der Kinder für drei der insgesamt acht Erhebungszeitpunkte (t0 – t7) berichtet, nämlich

·        t1 = Befund zu Beginn der Therapie mit Theraplay,

·        t6 = Befund am Ende der Behandlung mit Theraplay,

·        t7 = Befund zwei Jahre nach Ende der Therapie mit Theraplay.

Die Erhebungszeitpunkte zu Beginn der Wartezeit (t0) und im Therapieverlauf (t2 – t5) werden hier nicht berichtet.

Für die MCS im Prä-Post Design wurden nur Daten vor (t1) und nach (t6) der Behandlung mit Theraplay erhoben. Vergleichbar damit wurden bei der Kontrollgruppe KGN der klinisch unauffälligen Kinder Daten nur vor Beginn (t1) und nach Ende (t6) der 16 Wochen dauernden Wartezeit erhoben. Zur Evaluation der Wirkung von Theraplay stehen also aus allen drei Stichproben Daten über Ausprägung und Veränderung der Symptome vom Beginn (t1) und Ende der Therapie (t6) und für die LSS auch zwei Jahre nach der Therapie (t7) zur Verfügung.

Erhebungsinstrumente:  Die LSS sollte ein breites Spektrum an Fragen beantworten. Entsprechend vielfältig waren die Erhebungsbogen, die eingesetzt wurden:

- wiederholte Diagnose der Verhaltens- und der Sprachstörungen des Kindes,

- wiederholte Beobachtung des interaktiven Verhaltens zwischen Eltern und Kind,

- wiederholte Einschätzung der Art und Ausprägung der Symptome des Kindes

- und der Veränderung der Symptome im Therapieverlauf

- sowie wiederholte Befragung der Eltern bzw. Bezugspersonen.

Anders in der MCS. Deren Ziel war es, die in der LSS gefundenen Daten mit Sub-Stichproben aus unterschiedlichen Patientenpopulationen zu replizieren. Deshalb wurden in der MCS nur Daten zur Anamnese, Soziodemografie, zum Psychopathologischen Befund vor Beginn und am Ende der Therapie und zur Therapiedauer erhoben.

Die Erhebungsinstrumente, deren Ergebnisse hier berichtet werden, sind:

Erstens ein Erhebungsbogen (EB 12) zur Erfassung anamnestischer und demografischer Daten des Kindes, der Mutter und des Vaters bzw. bei Pflege- und Adoptivkindern der Bezugspersonen. Auch wurden das Geburtsland und die Muttersprache des Kindes, dessen Zwei- oder Mehrsprachigkeit und der Kindergartenbesuch erfasst. Darüber hinaus erhobene Daten werden hier nicht berichtet.

Zweitens ein Erhebungsbogen (EB 18) zur wiederholten klinischen Einschätzung des psychopathologischen Befunds und zur Erfassung der von den Bezugspersonen berichteten Symptome des Kindes. Die Grundlage ist CASCAP-D (Doepfner et al., 1999), die deutsche Version der Clinical Assessment Scale for Child and Adolescent Psychopathology. Das ist ein Instrument zur Erfassung der Art der Symptome und zur dimensionalen Skalierung des Ausprägungsgrads jedes beobachteten oder von der Bezugsperson berichteten Symptoms in vier Skalenwerten:

4 = stark ausgeprägtes Symptom,

3 = deutlich ausgeprägtes Symptom,

2 = leicht ausgeprägtes Symptom,

1 = klinisch unauffällig, d.h. keine klinische Symptomatik.

Drittens ein Erhebungsbogen (EB 35), in dem die Therapeutin die Anzahl der durchgeführten Therapiesitzungen erfasst hat sowie die Anzahl der Sitzungen, an denen die Mutter oder der Vater oder eine relevante Bezugspersonen teilgenommen haben.

Therapie Setting: Die in der LSS berichteten Therapien wurden im Phoniatrischen Paedaudiologischen Zentrum in Heidelberg in einem therapeutischen Spielzimmer mit daneben liegendem Beobachtungsraum durchgeführt. Der einfach möblierte Therapieraum war gut ausgeleuchtet. Auf dem Boden lag eine breite, weiche Matte. Die wenigen für das Spiel notwendigen Materialien lagen während der Sitzung mit einem Tuch abgedeckt in greifbarer Nähe der Therapeutin. Alle übrigen waren in Schränken verborgen.. Durch einen Einwegspiegel in der Wand konnten die Eltern die Reaktionen des Kindes verfolgen. Zwei Video-Kameras und ein Mikrophon waren installiert, um den gesamten Therapieprozess für die spätere klinische Analyse in Total- und Nahaufnahme zu protokollieren. In der MCS entsprachen die Therapieräume den in der jeweiligen therapeutischen Institution gestellten Anforderungen. Eltern oder Bezugspersonen konnten über Video den Therapieprozess verfolgen. In den meisten Fällen war das Therapie Setting der MCS ähnlich dem der LSS.

Therapieprozedur: Die Therapie wurde durch supervidierte und zertifizierte Therapeut/innen geführt, die als Psychologen, Logopäden, Stimmlehrer, Ergotherapeuten, Sonderpädagogen oder in anderen Heilberufen tätig sind. Der Verlauf der therapeutischen Sitzungen war in allen Setting weitgehend ähnlich. Meistens wurden die Kinder von einer Therapeutin zusammen mit einer Co-Therapeutin behandelt. Letztere hielt das Kind in ihrem Schoß und gab ihm Wärme, Unterstützung und ein Gefühl der Geborgenheit. Zugleich schützte sie die Therapeutin vor Spucken, Beißen, Kratzen, Treten oder anderen Verletzungen durch anfangs aggressive Kinder. Die Therapeutin saß oder kniete vor dem Kind und führte es durch die Therapie. Die Eltern beobachteten entweder den Therapieverlauf vom Nebenraum aus oder über Video oder nahmen anstelle der Co-Therapeutin direkt teil.

 

Ergebnisse der Evaluation der Wirkung von Theraplay

Die Ergebnisse stützen sich auf die wiederholte Erhebung des psychopathologischen Befunds der untersuchten Klein- und Vorschulkinder im Alter von 2;6 – 6;11 Jahren. Die Indikation zur Behandlung mit Theraplay wurde durch ärztliche Diagnose gestellt. Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass hier über Symptome und deren Veränderung berichtet wird, nicht über klinische Störungen wie sie in DSM-IV oder ICD-10 klassifiziert werden. Die Symptome können durchaus in unterschiedlichen Störungsbildern auffällig werden.

Art und Häufigkeit der therapieresistenten Symptome: Alle untersuchten Kinder hatten vor Beginn der Behandlung mit Theraplay (Erhebungszeitpunkt t1) zwei oder mehr der relevanten Symptome (vgl. Tabelle 2). In den beiden Studien sind manche Symptome unterschiedlich häufig. Das lässt sich aus den unterschiedlichen Stichprobenstrukturen erklären. Die Stichprobe der LSS setzt sich ausschließlich aus Kindern zusammen, die wegen Sprach- und Sprechstörungen vorgestellt wurden. Das erklärt, weshalb einerseits der Anteil der Kinder mit rezeptiven Sprachstörungen sehr groß ist (86.7%) und warum andererseits affektive Störungen und Ängste so selten vorkommen (£5%). Die Stichprobe der MCS setzt sich aus Patientenpopulationen sehr unterschiedlicher klinischer Institutionen zusammen. Das Patientenspektrum dieser Institutionen ist sehr viel breiter, obwohl sie keineswegs den gesamten Bereich jener Symptome abdecken, die mit Theraplay erfolgreich behandelt werden könnten.

Tabelle 2

Art und Häufigkeit der Symptome

Nur Symptome, die mit Theraplay behandelt wurden

Durchschnittlicher Ausprägungsgrad der Symptome nach CASCAP-D
1 = klinisch unauffällig; 2 = leichte ...; 3 = deutliche ...; 4= starke Ausprägung des Symptoms
Erhebungszeitpunkt: Vor Beginn der Behandlung mit Theraplay (t1)

 

MCS

Multi-Center

Studie

LSS

Längsschnitt-

Studie

KGN

Kontrollgruppe

N

Symptom

N

%

N

%

N

%

Größe der Nettostichprobe

291

100.0

60

100.0

30

100

Symptome der Aufmerksamkeit, Aktivität und des Sozialverhaltens

unaufmerksam

218

  74.9

50

  83.3

30

-

unaufmerksam, hyperaktiv

105

  36.1

25

  41.7

30

-

unkooperativ

199

  68.4

45

  75.0

30

-

oppositionell verweigernd

161

  55.3

23

  38.3

30

-

aggressiv

  69

  23.7

  7

  11.7

30

-

spielgestört

118

  40.7

21

  35.0

30

-

Symptome der affektiven und Angststörungen

scheu, schüchtern

149

  51.2

21

  35.0

30

-

mangelndes Selbstvertrauen

111

  38.1

  3

    5.0

30

-

sozial ängstlich

  59

  20.3

  3

    5.0

30

-

leistungsängstlich

  51

  17.5

  2

    3.3

30

-

selektiv mutistisch

  38

  13.1

  9

  15.0

30

-

Symptome der Sprachentwicklungs- und tiefgreifenden Entwicklungsstörungen

mangelnde soziale Gegenseitigkeit

  56

  19.2

14

  23.3

30

-

rezeptiv sprachgestört

193

  66.3

52

  86.7

30

-

Erklärungen: N = Anzahl der Fälle in der Stichprobe; % = Anteil in Prozent der Stichprobe

Tabelle 2 zeigt, dass vor Beginn der Behandlung mit Theraplay in beiden Stichproben der Anteil der unaufmerksamen (MCS: 74.9%; LSS: 83.3%) bzw. der unkooperativen Kinder (MCS: 68.4%; LSS: 75,0%) sehr hoch war. Unaufmerksames, unkooperatives und hyperaktives Verhalten war in der Stichprobe der LSS tendenziell häufiger als in der MCS, vermutlich deshalb, weil der Anteil sprachverständnisgestörte Kinder in der Stichprobe der LSS außergewöhnlich hoch war (86.7% sprach- und sprechgestörte Kinder). In der MCS waren dagegen Kinder mit oppositionell verweigerndem, aggressivem, spielgestörtem Verhalten tendenziell häufiger als in der LSS, vermutlich wegen des Anteils der Kinder aus sozial belasteten Wohngebieten und aus einem Behindertenzentrum. Umgekehrt war der Anteil scheuer, schüchterner, selektiv mutistischer Kinder in der Stichprobe der LSS tendenziell häufiger als in der MCS.

Ausprägungsgrad der Symptome vor Beginn der Behandlung mit Theraplay: Ausgehend von der anfänglichen Ausprägung der in Tabelle 2 aufgeführten Symptome soll nun gezeigt werden, wie sich die Behandlung von Theraplay auf die Reduzierung der therapiebehindernden Symptome und auf die Verbesserung der sozialen Interaktion mit anderen auswirkte. Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass der Ausprägungsgrad der Symptome, der bei den Kindern vor Beginn der Behandlung mit Theraplay diagnostiziert wurde, entweder als leicht (= 2), deutlich (= 3) oder stark ausgeprägt (= 4) eingeschätzt wurde. Die Daten in Tabelle 3 sind Durchschnittswerte dieser differenzierten Einschätzungen. Der höchstmögliche Skalenwert des Symptomeinschätzung nach CASCAP-D ist M = 4.0.

Ein großer Teil der klinisch auffälligen Kinder der beiden Stichproben MCS (LSS = Angaben in Klammer) mit expansiv störendem Interaktionsverhalten reichen mit einem Mittelwert von Mt1 > 3.0 fast schon an diesen höchstmöglichen Wert von M = 4 heran.

·        N = 218 (N = 50) Kinder mit Aufmerksamkeitsdefizit                    Mt1 = 3.20 (Mt1 = 3.04)

·        N = 105 (N = 25) Aufmerksamkeitsdefizit mit Hyperaktivität         Mt1 = 3.17 (Mt1 = 2.96)

·        N = 199 (N = 45) unkooperative Kinder                                      Mt1 = 3.13 (Mt1 = 3.00)

·        N = 161 (N = 23) oppositionell verweigernde Kinder                    Mt1 = 3.15 (Mt1 = 3.09)

·        N = 118 (N = 20) Kinder mit Spielstörungen                                Mt1 = 3.02 (Mt1 = 3.05).

Die durchweg hohen Mittelwerte sind ein Hinweis auf den Ernst der Ausprägung der Störung des Sozialverhaltens vieler dieser Kinder. In Tabelle 3 wird die Brisanz der externalisierten Symptome der Verhaltensstörungen der klinisch auffälligen Kinder besonders deutlich im Vergleich mit der geringen oder fehlenden Ausprägung dieser Symptome bei klinisch unauffälligen Kindern der Kontrollgruppe KGN (Mt1 = 1.0 – 1.3).

Tabelle 3

Veränderung der Symptome durch Theraplay
und statistische Signifikanz der Veränderung der Symptome






Symptom

MCS
Multi-Center Studie

N = 291 Klein-/Vorschulkinder
mit dualer Diagnose

LSS
 Längsschnitt-Studie

N = 60 Klein/Vorschulkinder
mit dualer Diagnose

KGN
Kontroll-
gruppe N

N = 30

N

Mt1
(st1)

Mt6
(st6)

prob

N

Mt1
(st1)

Mt6
(dt6)

prob

N

Mt1
(st1)

Symptome der Aufmerksamkeit, Aktivität und des Sozialverhaltens

unaufmerksam

218

3.20
(0.8)

2.04
(0.8)

p<.0001

50

3.04
(0.7)

2.22
(0.9)

p<.0001

30

1.30
(0.5)

unaufmerksam
und hyperaktiv

105

3.17
(0.8)

1.84
(0.7)

p<.0001

25

2.96
(0.8)

1.63
(0.8)

p<.0001

30

1.27
(0.5)

unkooperativ

199

3.13
(0.8)

1.50
(0.7)

p<.0001

45

3.00
(0.8)

1.66
(0.8)

p<.0001

30

1.30
(0.5)

oppositionell
verweigernd

161

3.15
(0.8)

1.39
(0.5)

p<.0001

23

3.09
(0.7)

1.39
(0.5)

<0.0001

30

1.10
(0.3)

aggressiv

69

2.93
(0.8)

1.26
(0.5)

p<.0001

7

2.57
(0.8)

1.00
(0.0)

p=.0023

30

1.00
(0.0)

spielgestört

118

3.02
(0.8)

1.62
(0.8)

p<.0001

20

3.05
(0.9)

1.79
(0.9)

p<.0001

30

1.00
(0.0)

Symptome der affektiven und Angststörungen

scheu, schüchtern

149

3.04
(0.8)

1.36
(0.6)

p<.0001

21

2.52
(0.7)

1.14
(0.4)

p<.0001

30

1.23
(0.4)

mangelndes
Selbstvertrauen

111

3.11
(0.8)

1.39
(0.6)

p<.0001

3

2.33
(0.6)

1.00
(0.0)

p<.0001

30

1.00
(0.0)

sozial ängstlich

59

2.83
(0.8)

1.36
(0.6)

p<.0001

3

3.00
(1.0)

1.00
(0.0)

nicht
signkfik.

30

1.03
(0.2)

leistungsängstlich

51

3.02
(0.8)

1.31
(0.5)

p<.0001

2

2.00
(0.0)

1.00
(
0.0)

p<.0001

30

1.03
(0.2)

selektiv mutistisch

38

3.11
(0.8)

1.71
(1.1)

p<.0001

9

2.56
(0.7)

1.56
(1.1)

p=.0152

30

1.00
(0.0)                              

Symptome der tiefgreifenden Entwicklungs- und Sprachentwicklungsstörungen

mangelnde soziale
Gegenseitigkeit

56

2.98
(0.8)

1.88
(0.9)

p<.0001

14

3.07
(0.8)

2.14
(1.0)

p=.0009

30

1.00
(0.0)

rezeptiv
sprachgestört

193

3.11
(0.8)

2.01
(0.8)

p<.0001

52

3.13
(0.8)

2.25
(1.0)

p<.0001

30

1.00
(0.0)

Erklärungen: N = Stichprobengröße; Mt1 (st1) = Mittelwert (Standardabweichung) der Ausprägung
des Symptoms zu Beginn der Therapie; Mt6 (st6) = Mittelwert (Standardabweichung) der reduzierten Ausprägung des Symptoms am Ende der Therapie; prob. = Statistische Signifikanz der Veränderung.

Den klinisch auffälligen Kindern mit expansiven, externalisierenden Verhaltensstörungen stehen die Kinder mit internalisierenden Symptomen gegenüber. Scheues Verhalten der Kinder ist im allgemeinen für deren Bezugspersonen weniger störend, aber die oft damit verbundene stille Verweigerung und Unaufmerksamkeit behindert die therapeutische Arbeit. Kurz gesagt: Scheue Kinder fallen weniger auf als aggressive. Das mag erklären, warum auch von den Klinikern die Ausprägung der internalisierenden Symptome tendenziell geringer eingeschätzt wurde als die der externalisierenden, nämlich mit (Werte für LSS in Klammern):

·        N = 149 (N = 21) Scheu, Schüchternheit                                      Mt1 = 3.04 (Mt1 = 2.52)

·        N = 111 (N =   3) mangelndes Selbstvertrauen                              Mt1 = 3.11 (Mt1 = 2.33)

·        N =   38 (N =   9) selektiver Mutismus                                          Mt1 = 3.11 (Mt1 = 2.56)

·        N =   51 (N =   3) Leistungsangst                                                  Mt1 = 3.02 (Mt1 = 2.00)

·        N =   59 (N =   3) Sozialangst                                                       Mt1 = 2.83 (Mt1 = 3.00).

In Tabelle 3 fällt auf, dass in der Stichprobe der LSS nur wenige Kinder mit mangelndem Selbstvertrauen, Sozialangst, Leistungsangst oder selektivem Mutismus diagnostiziert wurden. Erklärung: Die Kinder der LSS wurden dem Arzt wegen Sprachentwicklungs-, Sprach- oder Sprechstörungen vorgestellt, nicht wegen affektiver Störungen. Dagegen wurde vielen der Kinder der MCS die Behandlung mit Theraplay wegen Verhaltensauffälligkeiten verordnet.

In beiden Studien wurde bei vielen der verhaltensauffälligen Kinder vor Beginn der Behandlung auch eine rezeptive Sprachstörung (Sprachverständnisstörung) diagnostiziert. Der Grad der rezeptiven Sprachstörungen war in beiden Studien hoch, nämlich MCS N = 193 der 291 Kinder (66.3 %) mit einer durchschnittlichen Ausprägung von Mt1 = 3.11 (s = 0.8), LSS N = 52 der 60 Kinder (86,7%) mit einer durchschnittlichen Ausprägung der rezeptiven Sprachstörung von Mt1 = 3.13 (s = 0.8) auf der 4-stufigen Skala CASCAP-D. Über die Koinzidenz von Verhaltensstörungen und Sprachstörungen wurde in der Literatur schon mehrfach berichtet (z.B. von Suchodoletz & Keiner, 1998), allerdings ohne den Ausprägungsgrade der Symptome und deren therapeutische Veränderung zu zeigen.

Reduzierung der Symptomausprägungen der Verhaltensstörungen nach Theraplay:

Die positive Veränderung des interaktiven Verhaltens der klinisch auffälligen Kinder nach der Behandlung mit Theraplay lässt sich am besten durch Abbildungen verdeutlichen (Abb. 1 - 3 für externalisierende und Abb. 4 - 5 für internalisierende Symptome). In jeder dieser Abbildungen wird für eines der für Therapieresistenz besonders relevanten Symptome dessen therapiebedingte Veränderung vom Beginn (t1) bis zum Ende (t6) der Behandlung mit Theraplay und in der  LSS auch die Nachhaltigkeit des Therapieeffekts zwei Jahren nach Ende der Therapie (t7) gezeigt.

Das schwarze Dreieck (p) ist das Symbol für die Kontrollgruppe der klinisch unauffällige Kinder (KGN). Diese haben zu Beginn der 16-wöchigen Wartezeit durchweg eine geringe oder fehlende Ausprägung des jeweiligen Symptoms. An diesem Maßstab können die z. T. erheblichen Symptomausprägungen der klinisch auffälligen Kinder der Patientenstichproben der MCS und LSS gemessen werden. Der Vergleich zeigt, wie störend die Symptome der klinisch auffälligen Kinder vor der Behandlung mit Theraplay (t1) tatsächlich waren und wie sehr sie sich bis zum Ende der Therapie (t6) in Richtung auf das Verhalten klinisch unauffälliger Kinder verändert haben. In der LSS kann darüber hinaus gezeigt werden, ob die erreichten Therapieeffekte auch zwei Jahre nach der Therapie (t7) noch aufrecht erhalten geblieben sind.

Die Stichprobe der MCS ist groß genug, dass anhand der anfänglichen Symptomausprägungen die Kinder mit starker (M=4), deutlicher (M=3) oder leichter Symptomatik (M=2) unterschieden werden können. Die durchgezogene Kurve (¾) mit schwarzem Quadrat (¢) ist das Symbol für Kinder mit stark ausgeprägter Symptomatik, mit grauem Quadrat für Kinder mit deutlich ausgeprägter und mit weißem Quadrat (£) für Kinder mit leicht ausgeprägter Symptomatik. Die gestrichelter Kurve (---) mit weißem Rhombus (¯) zeigt den Durchschnitt über diese drei klinisch auffälligen Substichproben der MCS. Sie entspricht deren Mittelwert (Mt1) in der Tabelle 3. Die gestrichelter Kurve (---) mit schwarzem Rhombus (¿) zeigt den durchschnittlichen Verlauf der Symptomveränderung für klinisch auffällige Kinder der LSS von Beginn der Therapie (t1) über deren Ende (t6) hinaus bis zwei Jahre nach Abschluss der Therapie (t7).

Für fehlende oder mangelnde Kooperativität (Abbildung 1), die typisch für therapieresistentes Interaktionsverhalten ist, zeigt sich ein ähnliches Bild der symptomreduzierenden Veränderung nach Theraplay wie für einige andere externalisierende (Abbildungen 2 – 3), wie auch für internalisierenden Symptome (Abbildungen 4 – 5). Die anfangs hoch ausgeprägten Symptome (¢) nähern sich nach Theraplay denen der klinisch unauffälligen Kinder der Kontrollgruppe N (p) an. Mit anderen Worten: Das Ergebnis der Behandlung mit Theraplay ist eine klinisch sehr bedeutsame Reduzierung der ursprünglich störenden Symptome des unkooperativen Verhaltens dieser Kinder in der Interaktion mit Bezugspersonen oder der Therapeutin. Dieser Effekt von Theraplay ist offensichtlich bei anfangs starker Ausprägung des Symptoms (¢ in den Abbildungen 1 – 5) noch größer als bei deutlicher oder leichter Symptomatik (£ in den Abbildungen 1 - 5). Oder anders ausgedrückt: Je ausgeprägter das therapieresistente Symptom Unkooperativität, oppositionelle Verweigerung, Aggressivität bzw. Scheu oder Sozialangst des Kindes vor der Behandlung mit Theraplay eingeschätzt wurde, um so größer ist der Effekt nach Theraplay, d. h. die positive Veränderung des interaktiven Verhaltens – fast bis in die Nähe des Interaktionsverhaltens von klinisch unauffälligen Kindern gleichen Alters und Geschlechts (Kontrollgruppe N, matched sample).

Nachfolgend werden zunächst die therapiebedingten Veränderungen der Stichproben mit expansiven, externalisierenden Symptomen wie unkooperatives, oppositionell verweigerndes oder aggressives Verhalten beschrieben und in den Abbildungen 1 - 3 dargestellt:

Reduzierung des Symptoms der unkooperativen Klein- und Vorschulkinder (Abbildung 1)

MCS:  N = 199 unkooperative Kinder insgesamt (= Durchschnitt MCS)
            davon
            N =   78 mit stark unkooperativem Interaktionsverhalten
            N =   69 mit deutlich unkooperativem Interaktionsverhalten
            N =   52 mit leicht unkooperativem Interaktionsverhalten
LSS:    N =   45 unkooperative Kinder insgesamt (= Durchschnitt LSS)

 


Abbildung 1: Die Wirkung von Theraplay auf unkooperative Klein- und Vorschulkinder.

 


Reduzierung des Symptoms der oppositionell verweigernden Klein- und Vorschulkinder (Abbildung 2)

MCS:  N = 161 oppositionell verweigernde Kinder insgesamt (= Durchschnitt MCS)
            davon
            N =   65 mit starker oppositioneller Verweigerung
            N =   55 mit deutlicher oppositioneller Verweigerung
            N =   41 mit leichter oppositioneller Verweigerung
LSS:    N =   23 oppositionell verweigernde Kinder insgesamt (= Durchschnitt LSS)

 


Abbildung 2: Die Wirkung von Theraplay auf oppositionell verweigernde Klein- und Vorschulkinder.

 


Reduzierung des Symptoms der aggressiven Klein und Vorschulkinder (Abbildung 3)

MCS:  N = 69 aggressive Kinder insgesamt (= Durchschnitt MCS)

            davon
            N = 21 mit starker Aggressivität
            N = 22 mit deutlicher Aggressivität
            N = 26 mit leichter Aggressivität
LSS:    N =   7 aggressive Kinder insgesamt (= Durchschnitt LSS).


Abbildung 3: Die Wirkung von Theraplay auf aggressive Klein- und Vorschulkinder

 


Den Kindern mit unkooperativem, oppositionell-verweigerndem, aggressivem Verhalten in der interpersonalen Kommunikation und sozialen Interaktion mit ihrer Bezugsperson, z. B. auch der Therapeutin, stehen die scheuen oder sozial ängstlichen Kinder gewissermaßen in einer extrem entgegengesetzten Position gegenüber. Die Wirkung von Theraplay ist aber letztlich sehr ähnlich. Auch die therapieresistenten Symptome von Scheu oder sozialer Ängstlichkeit, um nur diese beiden Beispiele darzustellen, haben sich nach der Behandlung mit Theraplay annähernd auf das Niveau klinisch unauffälliger, so genannter normaler Kinder verringert (Abbildungen 4 – 5).

 

Reduzierung des Symptoms der scheuen Klein- und Vorschulkinder (Abbildung 4)
MCS:
  N = 149 scheue Kinder insgesamt (= Durchschnitt MCS)
            davon
            N =   51 mit starker Scheu, ‚Schüchternheit
            N =   53 mit deutlicher Scheu, ‚Schüchternheit
            N =   45 mit leichter Scheu, ‚Schüchternheit
LSS:    N =   21 scheue Kinder insgesamt (= Durchschnitt LSS)


Abbildung 4: Die Wirkung von Theraplay auf scheue, schüchterne Klein- und Vorschulkinder.

 


Reduzierung des Symptoms der sozial ängstlichen Klein und Vorschulkinder (Abbildung 5)

MCS: N = 59 Kinder mit Sozialangst insgesamt (= Durchschnitt MCS) (Abbildung 5)
                        davon
                        N = 15 mit starker Sozialangst
                        N = 19 mit deutlicher Sozialangst
                        N = 25 mit leichter Sozialangst
LSS:    N =   3 Kinder mit Sozialangst insgesamt (= Durchschnitt LSS).


Abbildung 5: Die Wirkung von Theraplay auf sozial ängstliche Klein- und Vorschulkinder.

 


Diese außergewöhnliche Wirkung von Theraplay auf Symptome des interaktiven Verhaltens klinisch auffälliger Klein- und Vorschulkinder gilt jedoch nicht für alle untersuchten Symptome. Es gibt Symptome komplexer psychischer Störungen wie z.B.

·        Unaufmerksamkeit
bei Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS),

·        autistoider Mangel an sozialer Gegenseitigkeit
bei verschiedenen Störungen, insbesondere frühkindlichem Autismus, oder

·        rezeptive Sprachstörungen,
d. h. mangelndes Sprachverständnis bei Sprachentwicklungsstörungen,

die sich nach Behandlung mit Theraplay zwar klinisch bedeutsam und statistisch signifikant verbessert hatten, deren positive Veränderung aber nicht den Vergleich mit der berichteten Verbesserung der Symptome des interaktiven Verhaltens halten. Stark ausgeprägte Symptome waren nach Theraplay nur auf ein fortbestehendes Niveau leichter Symptomausprägung reduziert. Nur anfangs eher leicht ausgeprägte Symptome, insbesondere der Fähigkeit zu sozialer Gegenseitigkeit und des Sprachverständnisses näherten sich nach Theraplay dem Interaktionsverhalten normaler, klinisch unauffälliger Kinder an. (Abbildungen 6 – 8).

 

Verbesserung der Aufmerksamkeit
bei Klein- und Vorschulkindern mit Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom
(Abbildung 6)

MCS:  N = 105 unaufmerksame, hyperaktive Kinder insgesamt (= Durchschnitt MCS)
            davon
            N =   41 mit starker Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Symptomatik
            N =   41 mit deutlicher Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Symptomatik
            N =   23 mit leichter Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Symptomatik
LSS:    N =   25 unaufmerksame, hyperaktive Kinder insgesamt (= Durchschnitt LSS)


Abbildung 6: Die Wirkung von Theraplay auf unaufmerksame Klein- und Vorschulkinder
                       mit Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS).

 


Verbesserung der sozialen Gegenseitigkeit
bei unaufmerksamen Klein- und Vorschulkindern mit Mangel an sozialer Gegenseitigkeit
(Abbildung 7)

MCS:  N = 44 unaufmerksame Kinder mit autistoidem
                        Mangel an sozialer Gegenseitigkeit insgesamt (= Durchschnitt MCS),
            davon
            N = 15 unaufmerksame mit starkem Mangel an sozialer Gegenseitigkeit
            N = 16 unaufmerksame mit deutlichem Mangel an sozialer Gegenseitigkeit
            N = 10 unaufmerksame mit leichtem Mangel an sozialer Gegenseitigkeit
LSS:    N = 13 unaufmerksame Kinder mit autismus-ähnlichem
                        Mangel an sozialer Gegenseitigkeit insgesamt (= Durchschnitt LSS)
                        9 der 13 Kinder hatten die Diagnose frühkindlicher Autismus (Kanner).


Abbildung 7: Die Wirkung von Theraplay auf  mangelnde soziale Gegenseitigkeit der
                       unaufmerksame Klein- und Vorschulkinder mit autistoidem Mangel an sozialer Gegenseitigkeit.

 


Anbahnung des Sprachverständnisses
bei Klein- und Vorschulkindern mit rezeptiven Sprachstörungen
(Abbildung 8)

MCS: N = 193 Kinder mit rezeptiven Sprachstörungen insgesamt (= Durchschnitt MCS)
            davon
            N =   73 mit starker Symptomatik rezeptiver Sprachstörungen
            N =   68 mit deutlicher Symptomatik rezeptiver Sprachstörungen
            N =   52 mit leichter Symptomatik rezeptiver Sprachstörungen
LSS:    N =   51 Kinder mit rezeptiven Sprachstörungen insgesamt (= Durchschnitt LSS).

 


Abbildung 8: Die Wirkung von Theraplay auf rezeptive Sprachstörungen (Sprachverständnisstörungen).

 


Durchschnittlich Therapiedauer und wirtschaftliche Effizienz von Theraplay

Die Therapiedauer wird ausgedrückt durch die Anzahl der Therapiesitzungen, die zum Erreichen des Therapieziels notwendig waren. Das Erreichen des Therapieziels wird bestimmt durch die Übereinstimmung zwischen Eltern und Therapeut/in des Kindes, dass dieses sich in seiner sozialen Interaktion mit den Bezugspersonen, mit Kindern gleichen Alters und in der therapeutischen Zugänglichkeit nachhaltig positiv verändert hat, so dass nun eine ausreichende Kommunikation und Interaktion möglich ist.

Tabelle 4

Durchschnittliche Therapiedauer

Anzahl der notwendigen 30-Minuten Therapiesitzungen bis zum Erreichen des Therapieziels
einer nachhaltigen Reduzierung der Symptome durch Theraplay







Abb.





Symptom

MCS
Multi-Center Studie

N = 291 Klein-/Vorschulkinder
mit dualer Diagnose

LSS
 Längsschnitt-Studie
N = 60 Klein/Vorschulkinder

mit dualer Diagnose

 

Anzahl Sitzungen

 

Anzahl Sitzungen

N

Ml

sd

N

MM

sd

Durchschnittliche Therapiedauer bei  externalisierenden Symptomen der Interaktion

1

Unkooperativität

199

19.4

10.9

45

19.3

  8.4

2

Oppositionelle Verweigerung

161

19.2

10.4

23

18.2

  6.5

3

Aggressivität

69

19.8

10.6

7

15.9

  5.8

Durchschnittliche Therapiedauer bei  internalisierenden Symptomen der Interaktion

4

Scheu, Schüchternheit

149

17.9

  9.7

21

16.8

  4.3

6

Soziale Ängstlichkeit

59

20.1

11.3

3

18.7

10.7

Durchschnittliche Therapiedauer bei komplexen Verhaltens- und Entwicklungsstörungen

6

Aufmerksamkeitsdefizit
mit Hyperaktivitäts-Störung

105

21.4

12.6

25

21.0

  9.9

7

Autistoider Mangel
an sozialer Gegenseitigkeit

  44

26.0

13.0

13

26.0

  8.9

8

Rezeptive  Sprachstörung
(Sprachverständnisstörung)

193

19.7

10.8

52

19.0

  7.9

Erklärungen: N = Stichprobengröße; M = Mittelwert der Anzahl 30-Minuten Sitzungen, die bis zum Erreichen des jeweiligen Therapieziels notwendig waren; sd = Standardabweichung der Anzahl Therapiesitzungen, auch interpretierbar auf die Range der jeweils kürzesten bzw. längsten Sitzung

Theraplay erhebt den Anspruch, eine Kurzzeit-Spieltherapie zu sein. Tabelle 4 zeigt, dass ausgehend von der durchschnittlichen Anzahl der aufgewendeten Therapiesitzungen, die allerdings je nach Art und Schwere des anfänglichen Befunds unterschiedlich ist, Theraplay als Kurzzeit-Therapie bezeichnet werden kann. Zur Veränderung der meisten der untersuchten Symptome interaktiver Verhaltensauffälligkeiten genügten durchschnittlich bis zu 20 Therapiesitzungen. Damit liegt die überwiegend notwendige Behandlungsdauer im Bereich der 20 Therapiesitzungen, die in Übereinstimmung mit den Krankenkassen vom Arzt verordnet werden können, bevor eine psychiatrische Begutachtung des Kindes gefordert wird.

Bei unkooperativen, oppositionell verweigernden, aggressiven, d.h. expansiv störenden Klein- und Vorschulkindern im Alter von 2;6 – 6;11 Jahre waren durchschnittlich 19 – 20 halbstündige Therapiesitzungen notwendig, um das Therapieziel zu erreichen. Die Spannweite (Range) der notwendigen Anzahl Sitzungen reichte von 9 bis etwa 30 Sitzungen je nach leichter, deutlicher oder starker Ausprägung der Verhaltenssymptomatik.

Bei Klein- und Vorschulkindern mit internalisierenden Symptomen wie Scheu und soziale Ängstlichkeit waren ebenfalls durchschnittlich 18 - 21 Sitzungen notwendig, um die Symptome so weit zu reduzieren, dass diese Kinder sich danach ähnlich aufgeschlossen, mutig, zugänglich verhielten wie klinisch unauffällige Kinder gleichen Alters und Geschlechts. Die Range reichte ebenfalls von 9 – 30 Sitzungen.

Auch bei Klein- und Vorschulkindern mit rezeptiven Sprachstörungen genügten durchschnittlich 19 – 20 Therapiesitzungen, um die begleitenden Verhaltensstörungen zu reduzieren und das Sprachverständnis anzubahnen. Die Range reichte von 8 – 32 Sitzungen.

Theraplay erhebt nicht den Anspruch, Kinder mit Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störungen zu heilen. Aber, Theraplay vermag die Aufmerksamkeit solcher Kinder zu verbessern. Nach der Behandlung mit Theraplay waren Kinder mit diesem Störungsbild ruhiger, aufmerksamer, interessierter als vor der Behandlung, obwohl sie letztlich immer noch körperlich unruhig und z.T. auch impulsiv waren. Durchschnittlich waren 21 - 22 Sitzungen notwendig, um die störenden Verhaltensmuster so weit zu reduzieren, dass eine angemessen aufmerksame Interaktion zwischen dem anfangs unaufmerksamen, hyperaktiven Kind und der Bezugsperson möglich wurde. Die Range reichte von 8 Sitzungen bei anfangs leicht bis 34 bei stark ausgeprägter Unaufmerksamkeit.

Es ist allgemein bekannt, das die Behandlung autistischer Kinder lange dauert. Mangel an sozialer Gegenseitigkeit ist zwar eine Symptomatik, die Störungen des autistischen Spektrums begleitet, insbesondere des frühkindlichen Autismus, aber auch bei anderen Verhaltensstörungen beobachtet werden kann. Nur ein Teil der unter dieser Symptomatik leidenden Kinder hatten die Diagnose Autismus. Die Behandlung von autistoidem Mangel an sozialer Gegenseitigkeit brauchte mehr Therapiesitzungen als die bisher beschriebenen Verhaltensauffälligkeiten, nämlich durchschnittlich 26 Sitzungen, je nach Schwere der Störung zwischen 13 und bis zu 60 Sitzungen.

Die Dauer der einzelnen Therapiesitzung betrug 30 Minuten zuzüglich der notwendigen Zeit für deren Planung und Vorbereitung und nachher für deren Protokollierung. Die wirtschaftliche Effizienz von Theraplay erweist sich an dem durchschnittlich notwendigen Kostenaufwand für eine Behandlung. Die von den verschiednen Krankenkassen geleisteten Beträge sind unterschiedlich. Wenn jedoch für eine Berechnung der Effizienz ein Kostenaufwand von 50,00 € pro Therapiesitzung zugrunde gelegt wird, dann liegen die Behandlungskosten für die Reduzierung der beschrieben Symptome der sozialen Interaktion in 18 – 20 notwendigen Sitzungen bei 900 - 1.000 Euro/Kind. Für die Anbahnung des Sprachverständnisses von anfangs rezeptiv sprachgestörten Kindern fallen entsprechend durchschnittlich etwa 1050 – 1100 Euro, und für die Verbesserung der Fähigkeit zur sozialen Gegenseitigkeit in der Interaktion, besonders häufig bei autistischen Kindern diagnostiziert, fallen durchschnittlich etwa 1300 Euro an. Diese Beträge können je nach anfänglicher Schwere des Symptoms nach oben und unten schwanken. Damit kann Theraplay als effektive und effiziente Therapieform vermutet werden.

 

Qualitätskriterien der Therapieform Theraplay

Es gibt einige Qualitätskriterien, die von Statistikern vorwiegend im Zusammenhang mit der Eignung von Tests gesehen werden, wie Objektivität, Validität (Gültigkeit) und Reliabilität (Zuverlässigkeit). Diese sollen hier neben den maßgebenden Kriterien der Wirksamkeit einer Therapieform wie klinische Bedeutsamkeit, statistische Signifikanz und Effektstärke zur Evaluation der Wirkung von Theraplay herangezogen werden.

Objektivität: Unter Objektivität soll hier die Unabhängigkeit der Wirkung von Theraplay von der Therapeutin oder dem Therapeuten und von der therapeutischen Institution verstanden werden. Die Unterschiedlichkeit der therapeutischen Institutionen bestimmt letztlich auch die Unterschiedlichkeit der Patientenpopulationen. Zwischen LSS und MCS besteht hinsichtlich der Therapeut/innen, Institutionen und Patientenpopulationen eine entscheidender Unterschied. Die Ergebnisse der LSS basieren auf nur einer Institution, dem Phoniatrisch Pädaudiologischen Zentrum in Heidelberg, in der ärztlichen Diagnostik auf den Entscheidungen eines Arztes, in der psychologischen Diagnostik im wesentlichen auf den Tests des Kindes und der Befragung der Eltern durch die immer gleiche Psychologin, Helga Brand,, in der sprachlichen Diagnostik auf den Befunden einer Logopädin und in der Intervention auf den therapeutischen Fähigkeiten einer Therapeutin, Ulrike Franke. Die Ergebnisse der MCS basieren dagegen auf neun verschiedenen Institutionen mit einer größeren Anzahl verschiedener Ärzte und Diagnostiker/innen sowie den Interventionen von 14 geprüften Theraplay Therapeut/innen unterschiedlicher Heilberufe. Zur Beurteilung der Objektivität soll der Vergleich der durchschnittlichen Veränderungen der in der LSS und MCS therapierten Symptome herangezogen werden. Sie wird hier beschränkt auf den Vergleich der Mittelwertsveränderung in Tabelle 3 und die Kurvenverläufe (gestrichelte Linien) in den Abbildungen 1 – 8. Der Vergleich zeigt, dass die durchschnittliche Veränderung der Symptome in der LSS und der MCS weitgehend den gleichen Grad hat, wenn auch meistens auf einem anfänglich leicht unterschiedlichen Niveau beginnend. Das Ausgangsniveau wird durch die unterschiedlichen Patientenpopulationen und deren Störungsbilder bestimmt, die Veränderung der Symptome durch Theraplay. In einzelnen Fällen ist die Veränderung in beiden Studien fast deckungsgleich. Mit anderen Worten: die Veränderung der Symptome nach Behandlung mit Theraplay ist trotz unterschiedlicher Therapeut/innen, Institutionen und damit unterschiedlicher Patientenkohorten objektiv weitgehend ähnlich. Darüber hinaus wurden Berechnungen mit Duncans Multiplem Range Test durchgeführt. Gesucht wurde nach statistisch signifikanten Unterschieden hinsichtlich der Veränderung der Symptome in den verschiedenen therapeutischen Institutionen . Es gab in den untersuchten Paarvergleichen keine statistisch signifikanten Unterschiede.

Validität: Als Validität der Therapieform Theraplay soll hier die Gültigkeit im Sinne einer therapiebedingten Veränderung unterschiedlicher Symptome des therapieresistenten Interaktionsverhaltens gesehen werden. Betrachtet wird die klinische Bedeutsamkeit, statistische Signifikanz und Effektgröße der Veränderung mangelnder oder fehlender Kooperativität, oppositioneller Verweigerung, Aggressivität, Scheu,. Sozialangst, und der damit verbundenen Unaufmerksamkeit. Die in Tabelle 3 und den Abbildungen 1 – 8 dargestellten Veränderungen der Symptome von Anfang (Zeitpunkt t1) bis Ende (t6) der Behandlung mit Theraplay sind klinisch bedeutsam und statistisch hoch signifikant. Die statistische Signifikanz (Mt1 ® Mt6: prob<.0001) und die noch darzustellende Effektgröße der Symptomveränderungen (d>1.0, Tabelle 5) bestätigen die Validität von Theraplay.

Reliabilität: Unter Reliabilität soll hier die Zuverlässigkeit von Theraplay verstanden werden, in unterschiedlichen Untersuchungen die gleiche Wirkung zu zeigen. In den beiden unabhängigen und methodisch unterschiedlichen Studien LSS und MCS hat sich die klinisch bedeutsame und statistisch signifikante Veränderung der untersuchten Symptome nach Behandlung mit Theraplay als weitgehend ähnlich erwiesen, abgesehen von Symptomen, die aufgrund der unterschiedlichen Patientenpopulationen in einer der beiden Studien nicht ausreichend vertreten waren (vgl. Tabelle 3 und Abbildungen 1 - 8). In beiden Studien hat sich eine relevante, auch statistisch sehr bedeutsame (überwiegend prob<.0001) Verringerung der mit Theraplay behandelten Symptome erwiesen. In Hinsicht auf die Behandlung von Symptomen des interaktiven Verhalten, der Unaufmerksamkeit, des Mangels an sozialer Gegenseitigkeit und des mangelnden Sprachverständnisses kann Theraplay als zuverlässige Therapieform angenommen werden.

Klinische Bedeutsamkeit und statistische Signifikanz: Die in den Abbildungen 1 – 8 sichtbar gemachten Veränderungen der mit Theraplay behandelten Symptome gestörten Interaktionsverhaltens geben ein klares Bild der klinischen Bedeutsamkeit der erzielten therapeutischen Wirkung. Für die größeren Substichproben der MCS konnte diese Wirkung von Theraplay noch nach stark, deutlich oder leicht ausgeprägter Symptomatik differenziert werden. Die Ergebnisse der LSS haben darüber hinaus nachgewiesen, dass die durch eine Behandlung mit Theraplay erreichte positive Veränderung der Symptome auch zwei Jahre nach Abschluss der Therapie noch aufrecht erhalten geblieben ist, dass es keine Rückfälle gab. Tabelle 3 zeigt, dass die durch Theraplay erzielte Veränderung der Symptome für alle Substichproben mit 20 und mehr Kindern statistisch hoch signifikant p<.0001 ist.

Effektgröße: Effektgröße (auch: Effektstärke) ist ein statistischer Ausdruck für die Differenz (d) der Veränderung einer Symptomatik von Beginn bis Ende einer Therapie. Die Reduzierung einer Symptomatik mit einem Wert um d = 0.20 ist als kleine, um d = 0.50 ist als mittlere, um d = 0.80 ist als große Effektgröße zu bewerten (Bortz & Döring, 1995). Es gibt derzeit noch eine Vielzahl unterschiedlicher Formeln, nach denen die Effektgröße berechnet werden kann. Hier wird eine von der Universität Saarbrücken (www.phil.uni-sb.de/jacobs/seminar/vpl/bedeutung.htm) vorgeschlagene Formel d = Mt6 – Mt1 / st6 gewählt, für die von Jacobs (1999, 2005) in Anspruch genommen wird, dass die so errechnete Effektgröße (d) der populationsnahen Streuung am nächsten komme.

Tabelle 5

Effektgröße

als Hinweis auf das Ausmaß der Veränderung der Symptome durch Theraplay






Abb.






Symptom

MCS
Multi-Center Studie

N = 291 Klein-
und Vorschulkinder
mit dualer Diagnose

LSS
 Längsschnitt-Studie
N = 60 Klein-
und Vorschulkinder

mit dualer Diagnose

N

Mt1
(st1)

Mt6
(st6)

d

N

Mt1
(st1)

Mt6
(st6)

d

Effektgrößen der Symptomreduzierung externalisierender Verhaltensstörungen

1

Unkooperativität

199

3.13

1.50

|2.51|

45

3.00

1.6

|1.91|

2

Oppositionelle Verweigerung

161

3.15

1.39

|3.32|

23

3.09

1.39

|3.40|

3

Aggressivität

69

2.93

1.26

|3.34|

7

2.57

1.00

|1.57|

Effektgrößen der Symptomreduzierung internalisierender Verhaltensstörungen

4

Scheu, Schüchternheit

149

3.04

1.36

|2.71|

21

2.52

1.14

|3.83|

5

Soziale Ängstlichkeit

59

2.83

1.36

|2.53|

3

3.00

1.00

|2.00|

Effektgrößen der Symptomreduzierung neuropsychologisch bedingter Verhaltensstörungen

6

Aufmerksamkeitsdefizit
mit Hyperaktivitäts-Störung

105

3.17

1.84

|1.87|

25

2.96

1.63

|1.73|

7

Aufmerksamkeitsdefizit mit
Mangel an sozialer Gegenseitigkeit

  44

3.05

1.84

|1.49|

13

3.15

2.23

|0.91|

8

Rezeptive  Sprachstörung
(Sprachverständnisstörung)

193

3.11

2.01

|1.36|

52

3.13

2.25

|0.88|

Erklärungen: N = Stichprobengröße; Mt1 (st1) = Mittelwert (Standardabweichung) der Ausprägung
des Symptoms zu Beginn der Therapie; Mt6 (st6) = Mittelwert (Standardabweichung der reduzierten Ausprägung des Symptoms am Ende der Therapie; d = Effektgröße der Veränderung der Symptome;
Effektgröße: um d=0.20 = klein...; um d=0.50 = mittel...., um d=0.80 = groß..., d>1.00 = sehr groß...

Tabelle 5 zeigt, dass die in der MCS nachgewiesenen Effektgrößen der Symptomreduzierung durch Theraplay durchweg sehr groß (d > 1.00) sind. Die in den sehr viel kleineren Substichproben der LSS festgestellten Effektgrößen sind ebenfalls sehr groß mit d ³ 1.00 , abgesehen von den Effektgrößen nach Behandlung eines autistioiden Mangels an sozialer Gegenseitigkeit (d = |0.91|) und der Verbesserung einer rezeptive Sprachstörungen (d = |0.88|) durch Theraplay. Die Effektgröße der mit Theraplay erzielten Wirkung auf die untersuchten Symptome von Klein- und Vorschulkindern lässt wie deren schon besprochene statistische Signifikanz eine wirksame Therapieform für derartige Indikationen vermuten.

 

Diskussion der Ergebnisse der Evaluationsforschung zur Wirkung von Theraplay

Die American Psychiatric Association (APA) hat Kriterien zur Beurteilung evidenz-basierter Therapieformen eingeführt. Auf der Grundlage dieser Kriterien ist eine der beiden hier berichteten, unabhängigen Studien zur Evaluierung der Wirkung von Theraplay, die kontrollierte Längsschnittstudie (LSS) mit einer akkumulierten, randomisierten Patientenstichprobe und Kontrollgruppen auf dem A- Niveau unmittelbar unter der obersten Ebene A einzustufen. Der Code A- wird für randomisierte, klinische Studien einer Intervention vergeben, wenn diese Studie kein Doppel-Blindversuch (Code A) ist, jedoch die Patienten prospektiv über einen längeren Zeitraum verfolgt und den Therapie- und Kontrollgruppen nach Zufall zugeordnet werden. Die Multi-Center Studie (MCS) mag nach den APA-Kriterien zwischen A- und B, der dritten Ebene zur Beurteilung evidenz-basierter Therapieformen, eingestuft werden. Bei Studien auf dem Niveau B wird nicht nach einer randomisierten Stichprobe der Patienten verlangt.

Für dieses Forschungsprojekt ist jedoch entscheidender, dass die Ergebnisse der LSS nicht auf andere Patientenpopulationen generalisiert werden konnten und deshalb im Rahmen der MCS bei einer größeren Anzahl unterschiedlichen Patientenpopulationen und in unterschiedlichen Therapiesituationen repliziert wurden. Damit lässt sich die Wirkung von Theraplay zumindest auf die hier untersuchten Patientenkohorten verallgemeinern.

Da in Deutschlang bisher nur diese zwei praxis-basierten Studien zur Evaluation der Wirkung von Theraplay vorliegen, kann diese Therapie nach den Kriterien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen nur als „vermutlich wirksam“ bezeichnet werden. Die vorliegenden, zweifellos überzeugenden Ergebnisse sollten durch weitere Studien repliziert und auf andere Patientenpopulationen ausgedehnt werden.

Die Ergebnisse dieser beiden Studien zeigen evident und unabhängig von einander, dass Theraplay die untersuchten externalisierenden und internalisierenden Symptome des interaktiven Verhaltens von Klein- und Vorschulkindern der untersuchten Alters- und Geschlechtsstruktur wirksam reduziert hat. Die klinische Bedeutsamkeit und statistische Signifikanz der Ergebnisse, die auch durch die statistischen Berechnungen zur Effektgröße der Symptomreduzierung bestätigt werden, sind nicht zu bezweifeln. Selbst Symptome komplexer Verhaltensstörungen wie Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störungen, autistoider Mangel an sozialer Gegenseitigkeit, typisch für Störungen des autistischen Spektrums, und rezeptive Sprachstörungen konnten durch die Behandlung mit Theraplay in den untersuchten Kohorten klinisch wirksam und statistisch signifikant positiv verändert werden.

Die Ergebnisse der Längsschnittstudie mit Folgestudie zwei Jahre nach dem jeweiligen Ende der Behandlung mit Theraplay lassen den Schluss zu, dass die Wirkung dieser Therapieform vermutlich nachhaltig sein wird und im Regelfall keine Rückfälle zu erwarten sind. Die mit Theraplay erreichten therapeutischen Ergebnisse waren stabil.

Die durchschnittliche Therapiedauer, gemessen an der Anzahl der Therapiesitzungen, die zum Erreichen des Therapieziels notwendig waren, betrug hinsichtlich der nachhaltigen Reduzierung der Symptome externalisierender und internalisierender Störungen 18 – 20 Sitzungen mit eine Therapiezeit von je 30 Minuten ohne Vor- und Nachbereitung. Abhängig von leichter, deutlicher oder stark ausgeprägter Symptomatik waren etwa ± 10 – 12 Sitzungen mehr oder weniger notwendig. Die Steigerung der Aufmerksamkeit der an Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störungen und die Anbahnung des Sprachverständnisses der an rezeptiven Sprachstörungen leidenden Kinder dauerte durchschnittlich einige Sitzungen länger. Bei einer von der Art und Schwere der jeweiligen Symptomatik abhängigen Schwankungsbreite von durchschnittlich 18 – 26 Therapiesitzungen kann Theraplay den Anspruche ein Kurzzeittherapie erfüllen.

Neben der Effektivität einer Therapieform spielt auch deren wirtschaftliche Effizienz ein bedeutende Rolle. Wenn kalkulatorisch ein von den Krankenkassen getragenes Honorar von 50 € für eine 30-Minuten Therapiesitzung zu Grunde gelegt wird, dann werden sich die Therapiekosten je nach Art und Schwere der Symptomatik zwischen 900 € und 1300 €/Kind bewegen. Das ist absolut gesehen, ein hoher Betrag, jedoch verglichen mit der nach allen Praxiserfahrungen oft lang andauernden, wenig erfolgreichen Behandlung solcher therapieresistenter Kinder relativ gesehen kostensenkend.

Abschließend ist noch kritisch auf einige Mängel hinzuweisen, die bei künftigen Studien zu vermeiden sind.

In den beiden vorliegenden Studien wurde der psychopathologische Befund mit CASCAP-D, der deutschen Version der Clinical Assessment Scale for Child and Adolescent Psychopathology erfasst. Im Sinne künftiger kulturübergreifender Studien in den Ländern, in denen inzwischen zertifizierte Theraplay Therapeuten tätig sind, sollten interkulturell standardisierte Instrumente eingesetzt werden.

In den vorliegenden Studien konnte nicht in allen Fällen, insbesondere nicht in einigen der weit gestreuten niedergelassenen Praxen gewährleistet werden, dass Diagnose und Intervention durch verschiedene Kliniker durchgeführt werden. In künftigen Studien sollte die strikte Trennung von Diagnose und Intervention beachtet werden, um jeglichen Zweifel an den Ergebnissen auszuschließen.

Künftige Studien zur Evaluation der Wirkung von Theraplay sollten grundsätzlich als kontrollierte Studien mit randomisierten Patienten- und Kontrollstichproben unterschiedlicher Symptomatik durchgeführt werden. Trotz der Kritik an diesen beiden unabhängig und aus Eigenmitteln finanzierten Studien werden deren Ergebnisse zur praxis-basierten Evidenz der Wirkung von Theraplay beitragen.

 

Literatur

Axline, V. (1947). Play Therapy. The inner dynamics of childhood. Boston: Houghton-Mifflin.

Deutsch: Spieltherapie im nicht-direktiven Verfahren. München: Reinhardt, 1972.

Bortz, J. & Döring, N. (1995). Forschungsmethoden und Evaluation. 2. Auflage. Berlin: Springer.

Bowlby, J. (1988). A secure base. Parent-child attachment and human development. New York: Basic Books.

Bowlby, J. (1995). Mutterliebe und kindliche Entwicklung. München: Reinhardt.

Brisch, K. H. (2003). Bindungsstörungen. Von der Bindungstheorie zur Therapie. Stuttgart: Klett-Cotta

Brody, V. (1978). Developmental Play: A Relationship-Focused Program for Children.

In: Journal of Child Welfare, 1978, 57 (9), 591-599.

Doepfner, M., Berner, W., Flechtner, H., Lehmkuhl, G., & Steinhausen, H.-C. (1999). Psychopathologisches

Befund-System für Kinder und Jugendliche (CASCAP-D). Göttingen: Hogrefe Verlag für Psychologie. Engl.: Clinical Assessment Scale for Child and Adolescent Psychopathology.

Field, T. (2001). Touch. Cambridge, MA: A Bradford Book, The MIT Press.

Goetze, H. (2002). Handbuch der personenzentrierten Spieltherapie. Göttingen: Hogrefe Verlag für Psychologie.

Goldberg, S. (2000). Attachment and development. London: Arnold.

Harlow, H. F. & Harlow, M. K. (1966). Learning to love. American Scientist, 54, 244-277.

Hughes, D. A. (1998). Building the bonds of attachment. Awakening love in deeply troubled children.

Northvale, NJ: Jason Aronson Inc.

Jacobs, B. [2005.07.27]. Die Effektstärke (oder Effektgröße).[htm, last update 1999.10.22]

www.phil.uni-sb.de/jacobs/seminar/vpl/bedeutung/bedeut.htm.alt.

Jernberg, A. M. (1979). Theraplay. A new treatment using structured play for children and their families.

San Francisco: Jossey-Bass. Deutsch.: Theraplay – Eine direktive Spieltherapie.

Übersetzung: U. Franke. Stuttgart: Gustav Fischer, 1987.

Jernberg, A. M. & Booth, P. B. (1999). Theraplay – Helping Parents and Children Build Better Relationships

Through Attachment-based Play. 2nd edition. San Francisco: Jossey-Bass.

Landreth, G. I. (2002). Play Therapy. The Art of the Relationship. 2nd edition. New York: Brunner-Routledge.

Lowenfeld, V. (1969). Die ‘Welt’-Technik in der Kinder-Psychotherapie. In: Biermann, G. (Hrsg.). Handbuch

der Kinderpsychotherapie (S. 442-451). München: Reinhardt.

Montagu, A. (1988). Körperkontakt. 5. Auflage. Stuttgart: Klett-Cotta.

Moustakas, C. E. (1953). Children in play therapy. New York: McGraw-Hill.

(Reprint: New York: Harper & Row, 1975).

Moustakas, C. E. (1973). The Child’s Discovery of Himself. Northvale, NJ: Jason Aronson Inc.

Munns, E. (2003). Theraplay: Attachment-enhancing play therapy.

In: Schaefer, C. E. (Ed.). Foundations of Play Therapy, 2003, 156-174.

Oaklander, V. (1978). Windows to our children. Moab-Utah: Real People Press.

Deutsch: Gestalttherapie mit Kindern und Jugendlichen. Stuttgart: Klett, 1981.

Papoucek, M. (2005). Störungen der intuitiven Kommunikationsfähigkeiten und Auswirkungen auf die

Entwicklung. Paper presented at the XXIX. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Heidelberg. In: Franz Resch (Ed.).
Die Sprache in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Ritterfeld, U. & Franke, U. (1994). Die Heidelberger Marschak Interaktionsmethode. Zur Beurteilung der

dyadischen Interaktion mit Vorschulkindern. Stuttgart: Gustav Fischer.

Rutter, M. (1994). Clinical implications of attachment concepts: retrospect and prospect. Paper presented at the

International Conference on Attachment and Psychopathology. Toronto, Ontario, Canada.

Schore, A. N. (1994). Affect regulation and the origin of the self. The neurobiology of emotional development.

Hillsdale: Lawrence Erlbaum Ass., Publishers.

Schore, A. N. (2003). Affect dysregulation & disorders of the self. New York: W. W. Norton & Co.

Siegel, D. J. (1999). The developing mind. How relationships and the brain interact to shape who we are.

New York: The Guilford Press.

Siegel, D. J. & Hartzell, M. (2003). Parenting from the inside out. New York: Tacher-Putnam.

Spitzer, M. (2002). Lernen. Gehirnforschung und die Schule des Lebens. Heidelberg: Spektrum.

Stern, D. (1974). The goal and structure of mother-infant play. Journal of the American Academy of Child

Psychiatry, 13, 402-421.

Stern, D. (1986). The interpersonal world of the infant. New York: Basic Books.

Deutsch: (1992): Die Lebenserfahrung des Säuglings. Stuttgart: Klett-Cotta.

Stern, D. (1995). The motherhood constellation. A unified view of parent-child psychotherapy.

New York: Basic Books.

van Ijzendoorn, M. & Sagi, A. (1999). Cross-cultural patterns of attachment.

 In: J. Cassidy & P. Shaver (Eds.). Handbook of attachment (pp. 713-734). New York: Guilford Press.

von Suchodoletz, W. & Keiner, T. (1998). Psychiatrische Aspekte bei sprachgestörten Kindern.

In: paediat. prax. 54, 395-402, München: Hans Marsaille Verlag

Waters, E., Weinfield, N., & Hamilton, C. (2000). The stability of attachment security from infancy to

adolescence and early childhood. General discussion. Child Development, 71 (3), 703-706.

Winnicott, D. W. (1958). Collected Papers. Through Paediatrics to Psychoanalysis. London: Tavistock

Ziegenhain, U. & Jacobsen, T. (1999). Assessing children’s representational attachment models. Links to

mother-child attachment quality in infancy and childhood. J. of Genetic Psychology, 160 (1), 22-30.



â 1996 Der Begriff Theraplay ist in Europa durch Wz. 39518465 für Ulrike Franke gesetzlich geschützt und weltweit für The Theraplay Institute, Wilmette, IL, USA.